
Anfang Oktober durfte ich mich mit dem Projekt „Snapshots from the Borders*“ auf eine viertägige Reise nach Lampedusa machen und ich war überwältig von den vielen unterschiedlichen Eindrücken der Insel. Die Insel war mir davor nur als „die Insel für Geflüchtete“ bekannt, weshalb ich total gespannt war, wie sich die Bewohner:innen dort um geflüchtete Menschen kümmern, wo diese ankommen und wie es um die Versorgung der Migranten:innen aussieht.
3. Oktober – Wir sind erst am frühen Nachmittag in Lampedusa angekommen. Es gibt keine Direktflüge zur kleinen Insel mitten im Mittelmeer. Deshalb sind wir von München über Palermo und dann mit einer kleinen Propellermaschine weiter nach Lampedusa geflogen. Da wir leider erst im Laufe des Tages angereist sind, haben wir die ersten wichtigen Programmpunkte am 3. Oktober nicht mehr mitbekommen. Der 3. Oktober ist jedoch ein sehr wichtiges Datum, nicht nur für Lamepedusa selbst, sondern für die gesamte Migrationsthematik. Am 3. Oktober 2013 sank ein Boot mit mehr als 500 Migranten:innen nur wenige Meter vor der Küste von Lampedusa. Dabei starben 368 Menschen (Männer, Frauen, Kinder), 155 wurden davon gerettet. Um diesen schicksalhaften Tag nicht zu vergessen, soll der 3. Oktober der europäische Tag des Gedenkens werden. Der Bürgermeister von Lampedusa hat anlässlich des 3. Oktobers eine Rede beim Leuchtturm der Insel gehalten. Die Atmosphäre an diesem Ort war eine sehr berührende, mitreisende und emotionale. Die Rede wurde mit dem Lied „Imagine“ von John Lennon begonnen. Der Bürgermeister sprach danach darüber, dass noch sehr viel in der Migrationspolitik gemacht werden muss, dass wir erst am Anfang stehen und er betonte immer wieder, dass Lampedusa die Insel des Friedens sei.
„Lampedusa ist nicht nur das Tor zu Europa, ist nicht nur ein Land der Migration, Lampedusa soll als Land des Friedens gesehen werden“
Salvatore Martello, Bürgermeister von Lampedusa
4. Oktober – diesen Tag haben wir dafür genutzt um uns die Insel genauer anzusehen. Wir haben uns ein Auto ausgeborgt und sind einmal rund um die Insel gefahren. Da die Insel nicht sehr groß ist, hat man alle wichtigen Hotspots an einem Tag gesehen. Das Festland ist sehr kahl, es wächst nicht viel, die Straßen sind mehr schlecht als recht. Man sieht, dass nicht sehr viel Geld vorhanden ist. Das Meer ist jedoch traumhaft. Der Rabbit Beach wird oft mit den Stränden auf den Malediven verglichen. Die Weitsicht rund um die Insel ist unbeschreiblich. Einer, der für mich am spannendsten Punkte war, zu sehen, wie viele Menschen doch auf dieser Insel Urlaub machen. Ich konnte nur sehr schwer mit diesen zwei Seiten der Medaille hier auf der Insel umgehen. Auf der einen Seite ist das treibende, lustige Leben in der Stadt, die überfüllten Strände, die Bands, die die Tourist:innen in der Stadt bespaßen und ganz nah neben diesem Trubel kommen Menschen an, die alles verloren haben, die auf der Suche nach einer neuen Heimat sind und furchtbarstes erlebt haben. Hier hat mich das Leben wieder einmal abgeholt und mir ganz klar die zwei Seiten des Lebens präsentiert. Leid und Glück liegen so nah beieinander. Wir verschließen so oft die Augen vor dem was wir nicht sehen wollen, obwohl es direkt vor uns liegt.
5. Oktober – Um 9:00 Uhr haben wir uns mit den Partner:innen aus Österreich beim Tor zu Europa getroffen. Ein Denkmal, dass an die Migranten:innen, die ihr Leben auf der Flucht verloren haben, erinnert, Mittags besuchten wir dann den Hafen „Favalora“. Der Hafen, an dem die geflüchteten Menschen ankommen und ihre erste Hilfe bekommen.
An dieser Stelle, erzählte uns die ehemalige Direktorin vom Migrationsaufnahmezentrum über die vielen, einzelnen Schicksale der Menschen, über die Erfahrungen während der Flucht und über die Traumata der Frauen, Kinder und Männer, die durch die Flucht in ein anderes Land entstanden sind. Sie zeigte uns Zeichnungen von Kindern, bei denen die Kinder ihre Wünsche für die Zukunft gemalt und geschrieben haben, wofür sie dankbar sind. Sie erzählte uns über Frauen, die während der Flucht vergewaltigt worden sind und von Müttern, die ihre Kinder während der Reise in ein besseres Leben verloren haben. Mich berührt es noch immer zutiefst, wenn ich über diese berührenden, herzzerreißenden und schmerzlichen Geschichten der Menschen nachdenke. Im Hafen konnte man noch die ankommenden Boote sehen. Mit Spraydosen wird ihr Ankommen dokumentiert. Die meisten Boote haben es gerade noch irgendwie in den Hafen von Lamepedusa geschafft. Schwimmwesten, einzelne Kleidungsstücke und Wasserkanister liegen herum. Die Stimmung ist bedrückend und berührt einen zutiefst. Gleich gegenüber dem Hafen geht das normale Leben weiter. Menschen liegen am Strand und genießen die Sonne. Diese zwei „Welten“ wurde auch an diesem Ort wieder sichtbar. Den Nachmittag verbrachten wir im Museum für Migration und der Abschluss der Reise führte uns zum höchsten Punkt der Insel, an dem man die schönste Aussicht über das weite Meer hatte.
Lampedusa hat meinen Horizont erweitert. Mir wurde wieder einmal vor Augen geführt wie nah das Glück der einen und das Leid der anderen nebeneinander liegen.
Mehr Infos über das Projekt findet ihr unter: http://www.snapshotsfromtheborders.eu
* unbezahlte Werbung wegen Nennung
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